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Sabin Tambreas Mut zur Veränderung

Mut: drei Buchstaben, hinter denen viel Kraft steckt. Mutig sind wir zum Beispiel dann, wenn wir uns unseren Ängsten stellen, für Überzeugungen einstehen oder trotz Unsicherheiten den nächsten Schritt wagen. Wir sprechen mit dem Schauspieler und Autor Sabin Tambrea darüber, wie das Mutigsein seinen Lebensweg geprägt hat.

Porträt des Schauspielers Sabin Tambrea. Er lehnt an einer rauen Mauer.
Der Schauspieler Sabin Tambrea hat einen autobiografischen Roman über seine eigene Familiengeschichte geschrieben. Copyright: Privat

Er spielte Ludwig II., einen Nazioffizier und Franz Kafka: Sabin Tambrea ist einer der vielseitigsten Schauspieler der deutschen Kino- und Serienlandschaft. Nun hat der gebürtige Rumäne sein zweites Buch „Vaterländer“ (Gutkind Verlag) veröffentlicht, in dem er sich seiner bewegenden ungarischrumänischen Familiengeschichte widmet. Darin erzählt Tambrea von der Flucht seines Vaters nach Deutschland und wie es diesem zwei Jahre später kurz vor Zusammenbruch des Ceauşescu-Regimes gelang, seine Familie nachzuholen. Tambrea wuchs ab dem dritten Lebensjahr in Marl auf und erhielt ab seinem vierten Lebensjahr Geigen-Unterricht. Warum er sich doch für die Schauspielerei entschied und was für ihn Mut heißt, erzählt er im Interview.

 

Herr Tambrea, Ihr Vater entschied sich 1985 während einer Konzertreise dazu, nicht nach Rumänien zurückzukehren, sondern einen Neuanfang in Deutschland zu wagen. Was bedeutet Mut für Sie?

Mut bedeutet, eine Entscheidung zu treffen, auch wenn man die Konsequenzen noch nicht vollends einschätzen kann. Es kann auch sein, dass man dadurch alles verliert. Mut ist das Springen über den Schatten der eigenen Ängste, die eine solche Entscheidung begleiten. Mein Vater hat damals alles aufs Spiel gesetzt – wäre er nach Rumänien zurückgekehrt, wäre er definitiv als Vaterlandsverräter im Gefängnis gelandet. Gleichzeitig hat er uns dadurch, dass er dieses Risiko gewagt hat, ein Leben in Freiheit geschenkt – eine Erfüllung, die damals zwar erhofft, aber nicht absehbar war. Das Leben, das ich jetzt führen kann, ist definitiv die Konsequenz seines Mutes. Seine Entscheidung hatte nicht nur auf mein Leben Auswirkungen, sondern auch auf das meiner gesamten Familie und meines Kindes.

Sabin Tambrea und Georg Maas stehen nebeneinander in einem Weinberg. Tambrea hält einen aufgespannten Schirm, beide deuten mit ausgestrecktem Finger nach vorne.
Präzise Anweisungen für den Kafka-Darsteller: Sabin Tambrea und Regisseur Georg Maas am Set des Films „Die Herrlichkeit des Lebens“. Copyright: Majestic/ChristianSchulz

War die Flucht ein großes Thema in der Familie?

Es gibt da draußen sehr viele kalte Zahlen und Statistiken über die Menschen, die nach Deutschland kommen. Hinter jeder einzelnen Zahl steckt ein Schicksal – und ein ganzes Paket an Gefühlen, die mitschwingen wie Mut, Angst, Einsamkeit. Die Geschichte, die ich aufgeschrieben habe, ist eine Geschichte hinter diesen Zahlen. Es ist mein Versuch, zu reagieren auf das, was ich in der Gesellschaft wahrnehme – die Empathielosigkeit bereitet mir große Sorge.

 

Inwiefern?

Die Fähigkeit, sich in jemanden reinzuversetzen, scheint gänzlich abhandenzukommen – wenn ich sehe, wie selbst Politiker miteinander umgehen beispielsweise. Sie sollten sich immer ihrer Vorbildfunktion bewusst sein, trotz allen Strebens nach guten Zustimmungswerten. Es gibt kein Aufeinanderzugehen mehr, es wird gefühlt nur noch gepöbelt, um den Eigennutz zu erfüllen. Ich denke, Empathie ist etwas, das man trainieren kann und auch muss. Auch in meiner Branche geht die Tendenz dahin, dass durch Algorithmen Drehbücher entwickelt werden, die den bestehenden Geschmack so bedienen, dass man sich gar nicht mehr regen muss, um ein künstlerisches Werk zu erfassen.

 

Welche Rolle spielt denn die Kunst dabei? Sie haben als Kind schon früh Geige gelernt …

Als Kind konnte ich gar nicht erfassen, was Kunst oder Kultur bedeuten können, weil es auch unbequem und nervig ist, Geige zu üben. Aber es ist unabdingbar, um das Handwerk zu erlernen, um später zum eigentlichen Kern von Kunst vorzudringen: die Grenzen zu erweitern und zu inspirieren.

Zwei Kinder, eines davon spielt auf einer Geige.
Musikgeschwister: Sabin und Alina Tambrea beim Kinderzimmerkonzert Copyright: Privat

Gehörte für Sie als Sohn eines Orchestermusiker-Paares die Musik selbstverständlich mit zum Programm?

Die Geige gehörte einfach dazu, es war das, was meine Eltern mir weitergeben konnten. Dadurch, dass sie ihr Leben in Rumänien aufgegeben haben, um mir und meiner Schwester eine bessere Zukunft zu ermöglichen, hatten wir Kinder unterbewusst das Gefühl, es zumindest so weit bringen zu müssen, dass sich ihre Entscheidung durch uns einlöst – auch wenn es von meinen Eltern nie so ausgesprochen oder in den Raum gestellt wurde. Dadurch herrschte ein enormer Erfolgs- und Leistungsdruck, und erst als ich selbst irgendwann den Mut hatte, den Kompetenzbereich meiner Eltern aufzugeben, konnte ich meinen eigenen Weg gehen.

 

Warum haben Sie sich für die Schauspielerei entschieden?

Ich habe alle anderen Optionen abgeklappert, bis nur noch das Schauspiel übrig blieb, das mir Freude gemacht hat. Dann musste ich meinen ganzen Mut aufzubringen, um die Unverschämtheit zu wagen, etwas, das so viel Spaß macht, zum Lebensinhalt zu bestimmen. Und im Gegensatz zum Musizieren macht beim Schauspiel für mich gerade das Unperfekte den Reiz aus – ohne Instrument in der Hand fühle ich mich frei.

 

Seither sind Sie in den unterschiedlichsten Rollen zu sehen. Wie kommt das?

Ich hatte bisher wahnsinnig Glück, dass mir sehr unterschiedliche Rollen zugedacht wurden, auch wenn ich an meiner Geduld arbeiten musste. Nachdem ich „Ludwig II.“ gedreht hatte, kam ein Jahr lang kein Angebot, bis der Regisseur Philipp Kadelbach mir in „Nackt unter Wölfen“ eine komplett andere Rolle angeboten hatte, die des SSUntersturmführers Reineboth. Damals habe ich für mich entschieden, möglichst nicht zweimal dieselbe Rolle zu spielen.

Sabin Trambea in der Isarphilharmonie

13. und 26. Oktober 2024

Vervollständigt das Schreiben eine andere Seite Ihrer Kunstproduktion?

Im großen Ganzen gibt es für mich keinen Unterschied zwischen Schreiben, Spielen, Fotografieren und Musikmachen. Ich arbeite so lange an meinem eigenen Handwerk, bis die Arbeit dem entspricht, was ich aussagen möchte. Deshalb habe ich beim Schreiben keine andere Herangehensweise als beim Schauspielen. Für mich geht es um das Machen, Bewerten und Korrigieren, damit am Schluss eine Aussage steht, mit der ich zufrieden bin.

 

Ihre Schwester zog die Geigen-Karriere durch: Am 13. Oktober werden Sie in der Isarphilharmonie zusammen auf der Bühne stehen …

Ja, meine Schwester Alina hatte das Durchhaltevermögen, den Beruf der Geigerin zu ergreifen. Sie spielt mit dem Guadagnini Trio, und ich lese aus meinem Buch. Das wird ein ganz berührender Moment für uns beide. Früher haben wir zusammen im Kinderzimmer Geige geübt, und nun stehen wir von unterschiedlichen Seiten der Kunst zusammen auf der Bühne mit unserer gemeinsamen Geschichte. Schöner hätte sich der Kreis für uns nicht schließen können!

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