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Ein Team für alle Fälle: Barrierefrei Feiern

Bietet der Gasteig tatsächlich Kultur für alle? Wie inklusiv ist Münchens Kulturzentrum? Zusammen mit der „Initiative Barrierefrei Feiern“ arbeiten wir daran, das Kulturangebot so inklusiv wie möglich zu gestalten. Wie funktioniert das, und wer steckt hinter dieser besonderen Initiative?

Vier Mitglieder*innen der Initiative Barrierefrei Feiern an ihrem Meeting Point
Das Awareness-Team von Barrierefrei Feiern rund um Franzi Lammers (links) sorgt bei den Festivals im Gasteig HP8 dafür, dass sich alle wohlfühlen. Copyright: Andreas Gebert/Gasteig

Die Initiative Barrierefrei Feiern ist ein Kollektiv von Menschen mit und ohne Behinderung, das Veranstaltende seit über drei Jahren bei der Entwicklung inklusiver Kulturstrategien berät. Statt Checklisten für Barrierefreiheit auszuteilen, die bloß in Schubladen landen, geben die Expert*innen konkrete Tipps vor Ort – damit behinderte Menschen an Veranstaltungen teilnehmen können.

 

Was notwendig ist, um Events barrierefrei zu gestalten, ist Menschen ohne Behinderung oft gar nicht bewusst – nur eine barrierefreie Toilette anzubieten, ist nicht ausreichend. Getränkekarten, die für blinde Menschen auf der Webseite verfügbar sind, Rollstuhlrampen, so flach gebaut, dass sie ohne fremde Hilfe zu bewältigen sind, oder eine Vorab-Auskunft, ob Gebärdensprachdolmetschende vor Ort sein werden, können ein Anfang sein. Via Screenreader lesbare Kommunikation online, eine detaillierte Beschreibung der Anfahrtswege oder Plakate mit Kontrasten und klaren Schriften sind ebenfalls relevante Maßnahmen.

„Der Gasteig hat sich Kultur für alle auf die Fahne geschrieben. Das verlangt mehr, als das Programm vielfältig zu gestalten. Wir möchten, dass alle Menschen daran teilhaben können. Deshalb sind wir froh, die Expert*innen der Initiative Barrierefrei Feiern an unserer Seite zu haben.“

Patricia Strauß, Koordinatorin für Inklusion & Barrierefreiheit im Gasteig

Der direkte Austausch mit Betroffenen ermöglicht Kulturschaffenden schon bei der Planung einen Perspektivwechsel. Bei den Veranstaltungen selbst unterstützt die Initiative Barrierefrei Feiern mit einem Awareness-Team vor Ort alle Menschen, auch Gäste mit Behinderung. Die persönliche Kommunikation mit den Expert*innen hilft Besuchenden, Berührungsängste abzubauen und Inklusion zu leben. Eine perfekte Methode dafür bietet zum Beispiel das Angebot „Lackieren und Diskutieren“ am Meeting-Point: Wer Lust hat, darf sich dort nach Lust und Laune die Nägel lackieren – und dabei Expert*innen wie die Community-Managerin der Initiative Franzi Lammers kennenlernen.

Franzi Lammers ist die Community-Magagerin der Initiative Barrierefrei Feiern.
Ein grüner Infostand vor einem Gebäude ist zu sehen, davor setehen locker verteilt Menschen.
Beim Meeting-Point kann man mit Expert*innen zm Beispiel beim Nägel lackieren ins Gespräch kommen. Copyright: Andreas Gebert/Gasteig

Franzi, eure Initiative war bereits bei mehreren Events im Gasteig vor Ort und ist auch beim Mental Health Arts Festival sehr stark präsent. Was hat Barrierefreiheit mit mentaler Gesundheit zu tun?
Sehr viel. Da spielt Sichtbarkeit eine große Rolle: Mir zum Beispiel sieht man sofort an, dass ich im Rollstuhl sitze. Aber es gibt zahlreiche unsichtbare Behinderungen, von denen viele auch die mentale Gesundheit betreffen. Betroffene Menschen werden oft diskriminiert, weil ihre Themen und Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden. Ein konkretes Beispiel: Menschen mit unsichtbaren Behinderungen können auch auf eine barrierefreie Toilette angewiesen sein. Bei der Benutzung dieser erleben sie aber häufig Diskriminierung, da ihnen die Zugangsberechtigung abgesprochen wird. Diesen Fällen möchten wir entgegenwirken, indem wir bei Bedarf Bändchen an Menschen mit unsichtbarer Behinderung ausgeben, die die Benutzung der barrierefreien Toiletten ermöglicht.

 

Beim Mental Health Arts Festival seid ihr mit einem Awareness-Team im Gasteig HP8. Was heißt das konkret?
Unser Awareness-Team ist vor Ort sichtbar für Menschen mit Behinderung, aber auch für alle, die Unterstützung in irgendeiner Art benötigen, weil es ihnen nicht gut geht, sie in einer Krise stecken, getriggert wurden oder einfach nur eine Pause brauchen. Unser Team ist intersektional und divers mit Menschen mit und ohne Behinderung besetzt und deckt dadurch ganz vielfältige Perspektiven ab. Zudem haben wir als Expert*innen in eigener Sache unterschiedliche Fachkompetenzen, die wir in unsere Awareness-Arbeit einbringen. Wir sind als Ansprechpartner*innen für die unterschiedlichsten Themen geeignet und können bei Unsicherheiten oder kritischen Situationen eingreifen und unterstützen. Unser Ziel ist, dass alle Menschen Zugang zum Mental Health Arts Festival bekommen,eine gute Zeit im Gasteig HP8 haben und sich wohlfühlen.

Menschen tanzen vor einem Gebäude, in der Mitte des Bildes ist eine Rollstuhlfahrerin, die ihre Hand hebt.
Das beliebte Tanzformat DanceAbility findet monatlich im Gasteig statt und animiert alle zum Tanzen. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig
Eine beleuchtete Bühne, im Vordergrund eine Frau mit erhobenen Händen.
Konzerte mit Deaf-Performance gehören auch zum Programm bei den Festivals im Gasteig HP8. Copyright: Andreas Gebert/Gasteig

Ihr unterscheidet bewusst zwischen den Begriffen Barrierefreiheit und Inklusion. Warum?
Ich paraphraziere hier gerne die Diversity-Beraterin Vernã Myers: „Barrierefreiheit ist die Einladung zur Party, Inklusion die Einladung zum Tanz.“ Das Interesse an Inklusion wird in unserer Gesellschaft zum Glück immer größer. Aber manchmal ist das immer noch nur reine Theorie – der wirkliche Kontakt zu Menschen mit Behinderung fehlt. Inklusion ist eben nicht gegeben, wenn eine Veranstaltung barrierefrei, aber ausschließlich für Menschen mit Behinderung stattfindet. Inklusion ist erst dann erreicht, wenn Menschen mit Behinderung bei allen Veranstaltungen dabei sein können. Inklusion ist, wenn ich nicht mehr darüber sprechen muss. Inklusion haben und leben wir dann, wenn alle zusammen feiern.

 

Mehr Infos zur Initiative Barrierefrei Feiern

Barrierefreiheit im Gasteig

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