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Musik und Meditation in der Isarphilharmonie

Ein Konzert besuchen und dabei meditieren? Der Pianist und Neurowissenschaftler Nicolas Namoradze kombiniert Klavierstücke mit kurzen Achtsamkeitsübungen und Gedankenexperimenten, um dem Publikum ein völlig neues Hörerlebnis zu ermöglichen. Beim Mental Health Arts Festival ließ sich diese Erfahrung sogar in der Isarphilharmonie machen.

Der Pianist Nicolas Namoradze im Portrait, im Hintergrund ein Flügel.
Nikolaus Namoradze gibt Konzerte auf der ganzen Welt und stärkt sich selbst mit Yoga, Qigong und Meditation. Copyright: Nathan Elson Photography

Herr Namoradze, was passiert bei Ihrem Mindful Piano Recital?
In der Isarphilharmonie spiele ich Werke von Satie, Bach, Rachmaninoff, Scriabin sowie eigene Kompositionen und zeige, wie wir unser Hörerlebnis durch Meditation intensivieren können. Wir beginnen mit einfachen Atemübungen und bauen unsere Konzentration schrittweise auf. Während der Meditationen schließen wir die Augen und sind in unserer eigenen Welt, gleichzeitig teilen wir dieses Konzerterlebnis mit vielen Menschen, was einen positiven Doppeleffekt hat: Wir sind zusammen im Hier und Jetzt.

 

Erzählen Sie gerne konkret: Wie meditiert man zu Bach oder Rachmaninoff?
Es gibt viele Möglichkeiten. Zum Beispiel ist die eigene Physiologie einer der wichtigsten, aber noch wenig untersuchten Aspekte des Hörerlebnisses. Daher mache ich mit dem Publikum einen Body-Scan, bevor ich eine Bach-Suite spiele: Wir werden uns unseres Körpers bewusst, fühlen in verschiedene Bereiche hinein, um anschließend umso stärker präsent zu sein. Rachmaninoffs Musik ist voller Emotionen, daher spüren wir vor seinem Werk zunächst unseren Gefühlen nach: Wo empfinde ich was? Ist es ein Kribbeln, Druck oder Wärme? Wenn ich nach solchen Übungen Rachmaninoff spiele, erleben die Zuhörer*innen die Musik konzentrierter: Sie sind nicht in Gedanken verloren, sondern voll dabei.

 

 

„Es hat etwas unglaublich Starkes, wenn so viele Menschen ganz still in einem großen Konzertsaal zusammensitzen, den Raum fühlen und wirklich da sind.“

Nicolas Namoradze

Seit drei Jahren treten Sie mit Mindful Recitals in internationalen Konzerthäusern auf. Welche Reaktionen erleben Sie beim Publikum?
Leute, die oft zu Konzerten gehen, sagen mir, dass sie die Musik völlig neu gehört und andere Facetten entdeckt haben. Besucher*innen, die mit Klassik vorher nicht so viel zu tun hatten, erzählen, dass es für sie überraschend angenehm war. Häufig haben Klassik-Konzerte etwas Formelles, es gibt eine gewisse Distanz. Aber durch die Meditationen erleben die Menschen diese Musik nicht als fremd. Man braucht kein musiktheoretisches Wissen, um am Konzert teilzunehmen, sondern lediglich Aufnahmebereitschaft. Wir machen alle Übungen zusammen. Alle dürfen kommen, wie sie sind.

Der Pianist Nicolas Namoradze spielt auf dem Flügel beim Mindful Listening-Konzert im Konzerthaus Dortmund.
Musik hat eine starke Wirkung auf verschiedene Bereiche des Gehirns und eignet sich ideal, um Achtsamkeit zu kultivieren, sagt Nicolas Namoradze. Copyright: Bjørn Woll

Als Pianist und Meditationsleiter sind Sie auf der Bühne doppelt gefordert. Wie stimmen Sie sich selbst mental auf das Konzert ein?
(Lacht) Ich musste viel üben und Erfahrungen sammeln, um den Wechsel zwischen den Rollen hinzubekommen. Ich begebe mich mental auf eine Ebene, die mir einen gewissen Abstand zur Situation ermöglicht. Außerdem arbeite ich gerne mit Visualisierungen: Ich habe selbst schon Fantastisches über die Isarphilharmonie gehört, war aber noch nie dort. Also schaue ich mir vorher Bilder vom Saal an und gehe das Konzert in Gedanken so konkret wie möglich durch. Dadurch bin ich mit der Situation schon vertraut, das hilft mir sehr.

 

Bericht über das  Mindful Recital auf BR-klassik.de

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